Sonntag, 16. September 2012

und jetzt?


Ich kann es selber gerade noch gar nicht glauben. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hat es im Hauptgebäude der Schule gebrannt. In diesem Gebäude befand sich die erste, zweite, dritte und sechste Klasse, außerdem das Sekretariat, die Toilette und die Küche. Die erste, zweite und sechste Klasse sind weitgehend unversehrt geblieben, doch von der dritten Klasse, dem Sekretariat, der Küche und der Toilette ist nichts mehr übrig geblieben. Quasi alle Unterlagen der Schule, all der Papierkram, ein sehr großer Teil an Unterrichtsmaterial wie Stifte und Hefte, Bücher von den Lehrern sind verbrannt. Es ist einfach weg. Nicht zu glauben.
Als ich gestern Morgen zur Schule gefahren bin, wusste ich von nichts. Als ich ankam, habe ich schon von weitem gesehen, dass ein paar Leute vor der Schule standen, was für die Uhrzeit sehr ungewöhnlich war. Als das Gebäude dann in mein Blickfeld kam, war das erste  was ich dachte: Nein, das ist jetzt ein schlechter Witz oder ein Traum. Das kann nicht wahr sein. Unmöglich!
Ich war ziemlich geschockt. Und bin es auch immer noch ein bisschen. Gerade habe ich angefangen diese Schule zu lieben, da brennt ein Großteil von ihr von einem auf den anderen Tag ab.
Es kamen immer mehr Eltern, auch ein paar Kinder, ein paar wussten es schon, andere noch nicht. Die Feuerwehr kam noch einmal, um die letzten glühenden Stellen zu löschen und zu untersuchen, woher das Feuer kam. Scheinbar war es die Elektrizität. Irgendein verdammtes Kabel war die Ursache.

Es gab dann Gestern direkt eine Versammlung unserer Direktorin mit der Schulbehörde oder Ähnliches. Wir anderen, Eltern und Lehrer und ich, haben uns auch zusammen gesetzt und geguckt, was es für Möglichkeiten gibt. Beziehungsweise die anderen haben geguckt, was es für Möglichkeiten gibt. Ich saß nur da, habe zugehört und versucht zu begreifen was gerade passiert ist. Ich hatte das Gefühl, die anderen waren auch ein bisschen besorgt, dass ich so sehr geschockt war, teilweise mehr als sie selber, so kam es mir bei zumindest vor. Für viele schien es mir nicht so schlimm, sie haben zu mir gesagt Alma, beruhige dich, es ist ja nichts passiert. Auf der einen Seite ja, es ist niemandem was passiert, es ist nur ein „Sachschaden“. Auf der anderen Seite, wie viel Arbeit in so einer Schule steckt, wie viel Energie, Kraft und Zeit es gekostet haben muss, diese Schule aufzubauen…! Und dazu kommt, dass ich mich gerade eingelebt habe, mich zurecht gefunden habe, mich wohl gefühlt habe in der Schule. Und das ist nun alles verbrannt. Der piepsende Herd, der Nagel an der Schranktür wegen eines fehlenden Griffs der immer an der Hose hängen bleibt, die stumpfen Messer, all die Tassen ohne Henkel, die quietschende Tür mit dem losen Türgriff, die andere Tür die immer klemmt… alles verbrannt. Wegen einem Kabel.
Bis vor ein paar Monaten stand auf dem Schulgelände noch ein weiteres Gebäude, der Klassenraum der dritten Klasse. Bis es eines Nachts abgebrannt ist…
Aber da haben die Argentinier schon recht, das Leben geht weiter, es war nur ein Haus mit vielen schönen, interessanten und wichtigen Sachen drin. Aber es war eben nur ein Haus.
Uns wurden sechs Klassenräume einer anderen Schule etwas weiter außerhalb des Dorfes angeboten. Dort können wir die nächsten Wochen erst mal unterrichten, als Übergangslösung. Allerdings würde der Unterricht hier nachmittags stattfinden, weil vormittags die eigenen Schüler der Schule Unterricht haben.
Nun gibt es Fragen über Fragen, deren Antworten gesucht werden wollen.
Das Grundstück der Schule war/ist nur gemietet, zwei Klassenräume und der Kindergarten stehen noch, sind zur Zeit ohne Strom und Gas, aber sie stehen noch. Trennt man nun die Unterstufe? Oder die Unterstufe von dem Kindergarten? Was ist dann mit den Kindern die Geschwister haben, im Kindergarten oder in anderen Klassen? Was ist mit den Eltern die kein Auto haben, um zu einer Schule zu fahren, die weiter weg ist? Wie verkraften es die Kinder, nun in einer neuen Schule in fremden Klassen unterrichtet zu werden?
Was passiert auf lange Sicht? Sofort ein neues Grundstück mit einer neuen Schule? Oder stellt man für die nicht mehr existierenden oder unbenutzbaren Klassenräume Container auf dem alten Grundstück auf?

Klar ist, nun gibt es richtig viel Arbeit.
Unklar ist für mich gerade noch: wo ist mein Platz in der ganzen Situation? Was will und was kann ich tun?
Bei den ganzen Gesprächen und Diskussionen bin ich meistens noch viel zu sehr damit beschäftigt, zu versuchen alles zu verstehen, als dass ich wirklich mitdenken kann und mit überlegen kann, wie es weitergehen kann, was es für Möglichkeiten gibt und was ICH machen kann.
Eine Sache ist das Herstellen von Heften. Um am Dienstag wieder mit der Schule anfangen zu können, brauchen die Kinder neue Hefte. Also werde ich am Montag erst mal um die 70 Hefte machen. Aber was kommt dann? Dienstag? Mittwoch? Die ganzen nächsten Wochen?
Morgen werden wir uns die Schule angucken, in der wir vorübergehend weiter Unterricht machen. Es gibt wohl auch eine Küche. Ob es für die Kinder eine kleine Pausenmahlzeit gibt, und ob ich die wieder zubereiten werde, entscheidet sich morgen.
Aber kann ich auch mithelfen, bei der Suche nach einer langfristigen Lösung? Ich meine, mein Spanisch reicht nicht aus, um zum Beispiel den Papierkram der Schule wieder zu erarbeiten. Aber gibt es anderes, wo ich mitwirken kann? Ich glaube, ich werde morgen noch mal mit den Lehrerinnen sprechen und ihnen sagen, dass ich gerne mithelfen will, wo ich kann, dass sie mir gerne auch Sachen vorschlagen können, die ich machen kann und dass sie auch einfach mit mir rechnen können, mich fragen können wenn sie was brauchen und mich irgendwie mehr mit einbeziehen. Gerade fühl ich mich in der Situation noch eher wie ein Zuschauer, der noch nicht ganz begriffen hat, was eigentlich ab geht. Dennoch muss ich es für die anderen deutlicher machen, dass ich mit anpacken und mithelfen will wo ich kann.
Des Weiteren bekomme ich jede Woche von der Schule 150 Pesos, ca. 25 Euro, um mir Essen zu kaufen. Bringt es die Schule irgendwie weiter, wenn ich versuche, mit 100 Pesos die Woche auszukommen? Das, was die Schule sparen würde, ist nicht viel. 50 Pesos die Woche, 200 im Monat… das macht den Kohl auch nicht so richtig fett. Ich glaube, da sind andere Arbeiten die ich machen könnte, hilfreicher und wertvoller.
Wenn sich dann irgendwann in den nächsten Tagen oder Wochen herauszeichnet, wie es längerfristig weitergeht mit der Schule, kommen natürlich auch noch andere Arbeiten wie neue Möbel bauen, gegebenenfalls neue Gebäude bauen, Klassenzimmer einrichten und so weiter, auf uns zu. Aber bis wir da hinkommen, braucht es glaub ich noch ganz schön viel Kraft und Energie und gute Ideen. Ich bin gespannt wie es weitergeht.

Ach ja, was ich noch sagen wollte: wenn jemand gerade zufälliger Weise nicht weiß, was er mit seinem vielen Geld machen soll, kann sie/er mir gerne bescheid sagen, ich helfe gerne weiter. Ich weiß nicht genau wie das funktioniert, aber ich bin Sicher, es gibt Wege, der Schule etwas zu spenden und uns damit beim Wiederaufbau zu helfen. Ich werde herausfinden, wie das gehen kann. Scheut euch nicht, mich anzusprechen ;)

Un beso
Alma

Sonntag, 9. September 2012

Primavera


Lang lang ist´s her, dass ihr hier etwas von mir lesen konntet… Umso schwieriger ist es jetzt, an einer Stelle anzufangen, wo es Sinn macht, verständlich ist und trotzdem keine Ewigkeit lang wird;)

Alles in allem habe ich mich ein wenig eingelebt. Ich fühle mich wohl hier in El Bolsón beziehungsweise Lago Puelo. Ich liebe die Landschaft, die Menschen lerne ich gerade kennen und lieben und ich fühle mich frei. Ja, eigentlich kann man sagen, ich fühle mich frei. Ich weiß nicht wieso, aber gerade kam mir dieser Gedanke. In dem was ich tue, wie ich mich bewege, wie ich hier lebe fühle ich mich frei, unabhängig und ich habe das Gefühl, es kann ziemlich viel entstehen…

Seit nun schon drei Wochen arbeite ich in der Schule und so langsam bekomme ich einen Eindruck, was ich alles machen kann. Bis jetzt habe ich jeden Morgen für die Kinder das Frühstück zubereitet (von ihnen mitgebrachtes Brot und Obst), habe in der Pause mit ihnen Fangen gespielt, ein bisschen Ordnung in der Küche gehalten und Hefte für die Kinder gemacht. Für den Anfang war ich damit schon mal sehr gut bedient. Nachmittags hatte ich also meistens frei, die Schule geht bis 13.15Uhr, und hatte viel Zeit für mich hier anzukommen, mich langsam einzuleben und die Gegend etwas zu erkunden.
Diese Woche hatte ich ein kleines Gespräch mit zwei Lehrerinnen. Mein Wunsch war oder ist, in der Schule sowohl so Sachen zu mache wie eben Frühstück vorbereiten, Elternbriefe in die „Kommunikationshefte“ jedes einzelnen Schülers zu kleben, Plakate für Veranstaltungen male, die Klassen streiche, Stühle und Tische repariere oder was sonst so anfällt und aber auch mit den Kindern direkt zu arbeiten. Also in den künstlerischen Unterrichten mithelfe, später vielleicht selber einen kleinen Kurs mache und so einfach mehr von den Kinder mitzubekommen, zu sehen wie sie arbeiten, lernen und leben. Also werde ich ab nächster Woche immer morgens in eine Klasse mitgehen und den rhythmischen Teil mitmachen. Nach der Pause gehe ich dann in einen künstlerischen Unterricht, je nach dem was es so gibt und was mich interessiert.
Anfangs hatte ich das Gefühl, dass manche Kinder noch nicht so genau wussten, was sie von mir halten sollte. Ich bin die erste weibliche Freiwillige hier, bin leider nicht so stark wie meine Vorgänger und kann die Kinder auf der Schaukel nicht so hoch anschaukeln, außerdem versteh ich wenig… Aber so langsam habe ich das Gefühl, dass sich eine Verbindung aufbaut. Und mich würde auch stark interessieren, meine Namensvetterin näher kennen zu lernen;)

Wie ich ja schon geschrieben hatte, ich wohne in einem Hostel was einer Familie aus der Schule gehört. Das Hostel liegt ca. 10 bis 15 Kilometer (die Straßenschilder sind sich da etwas uneinig) von Schule entfernt einen Ort weiter Richtung Süden. Jeden Morgen fahre ich mit dem Fahrrad zur Schule. Wenn ich losfahre (7.30Uhr) ist es fast noch dunkel, manchmal hat es gefroren. Auf dem Weg zur Schule geht die Sonne auf. Wunderschön! Die von der Morgensonne beleuchteten, mit Schnee bedeckten Berge rechts und links neben der Straße zaubern mir jeden Morgen ein Lächeln aufs Gesicht.

Mit dem Spanisch sprechen tue ich mich noch ein bisschen schwer. Anfangs hatte ich das Gefühl, ich verstehe garnichts. Wenn die Leute hier reden, hörte es sich für mich wie ein einziger, undurchdringbarer Klang an. Mittlerweile höre ich die einzelnen Wörter heraus, höre wann und wo ein Wort anfängt und aufhört. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, ich versteh jedes einzelne Wort. Aber nur vom Klang her. Und nicht, dass ich dann auch wüsste, was es heißt! Dieses Gefühl hatte ich auch, als ich vor 2 Jahren mal 6 Wochen in Frankreich gearbeitet habe. Irgendwie verrückt! Zur Zeit bin ich ganz zuversichtlich, dass ich spätestens in einem Jahr Spanisch beziehungsweise Argentinisch (was schon ein kleiner Unterschied ist;)) sprechen kann. In der ersten Woche habe ich noch jeden Tag ein bisschen Vokabeln und Grammatik gelernt… das habe ich dann aber auch durch Häkeln ersetzt;) Ein Poncho und Stulpen sind schon entstanden. Eigentlich wollte ich eine Mütze stricken, weil ich meine ja direkt am ersten Tag verloren habe… Tja so ändern sich die Dinge. Und ich hab schon ziemlich viele andere Ideen was ich häkeln will. Vielleicht entsteht daraus oder damit ja irgendwann mal ein Kurs mit den Kindern!

Der Frühling kommt! Schneeglöckchen und Krokusse, die Bäume fangen an zu blühen, das ganze Dorf ist rosa und füllt sich mit Menschen, die die Sonne genießen. Wunderbar! Da ich nicht direkt in El Bolsón wohne und die Schule von meinem zu Hause vor El Bolsón liegt, bin ich nicht jeden Tag im Dorf. Vor ein paar Tagen habe ich mich nach der Schule mit Keksen, Obst und einem Buch auf die Wiese auf dem Dorfplatz gesetzt, um die Atmosphäre und die Sonne zu genießen. An dem Tag war auch Markt, das heißt, es waren viele Leute unterwegs. Der Markt ist ein Kunsthandwerkermarkt wo jeder etwas verkaufen und kaufen kann. Es gibt viel wunderschönen Schmuck, Klamotten, Schnitzereien, die verschiedensten Mate (das Gefäß aus dem der Matetee getrunken wird heißt Mate und der Tee Yerba) und auch was zu essen. Ich glaube, er ist auch eine große Touristenattraktion hier in El Bolsón.

Ich habe gerade ein sehr schönes Wochenende hinter mir;) Am Samstag habe ich ausgeschlafen, in der Sonne gefrühstückt, gehäkelt, mit Jasmin, der Kindergärtnerin aus der Schule (also die Schule hat nebenan auch einen Kindergarten) die zur Zeit noch hier mit ihrer Tochter wohnt( in den nächsten Tagen ziehen sie leider um!) Mate getrunken, noch mit der Tochter Volleyball gespielt, gekocht, dann sind wir zum See gefahren (Lago Puelo), haben ein Spiel gespielt dessen Namen ich nicht weiß, es gibt aber Fotos davon hier auf meinem Block;), wieder mal Mate getrunken, geredet, Siesta gemacht. Am Abend bin ich dann zu einer Freundin nach El Bolsón gefahren, da waren wir erst mal ein bisschen shoppen, haben gekocht und uns für die Fiesta fertig gemacht. In einer Bar hat eine Band Cumbia gespielt. Das ist ein Musikstil, der hier gerade glaub ich sehr beliebt ist. Da die Argentinier generell erst sehr spät mit solchen Veranstaltungen anfangen (frühestens halb 2), waren wir auch bis 5Uhr unterwegs. Heute Mittag habe ich dann mit Jasmin und der Familie hier aus dem Hostel gegessen, war mit Jasmin und Luana (die Tochter) in El Bolsón, wir haben ein halbes Kilo Eis gegessen, die Sonne genossen und waren auf dem Markt. Jetzt ruhe ich mich gerade ein bisschen aus, schreibe ein bisschen und gleich koche ich mal wieder was mit Jasmin und Luana. Also wie ihr merkt, ich koche und esse viel und gerne mit den verschiedensten Leuten.

Ich glaube hier höre ich jetzt mal auf. Sonst wird es doch noch eine Ewigkeit ;)
Liebste Grüße
Un Beso
Alma